Mehr erreicht als erhofft

Auf dem Weg zu DM-Bronze im ersten Juniorenjahr: Der Rüsselsheimer Felix Keitel übertrifft im Rahmen des Hessentages am Mainvorland seine Erwartungen.Foto: Vollformat/Volker Dziemballa   Foto: Vollformat/Volker Dziemballa
© Foto: Vollformat/Volker Dziemballa

Das Rennen um die deutsche Radtrial-Meisterschaft der Junioren spitzte sich vor rund 200 faszinierten Zuschauern zwischen den beiden Führenden gerade zu, doch das Geschehen...

Anzeige

RÜS. Das Rennen um die deutsche Radtrial-Meisterschaft der Junioren spitzte sich vor rund 200 faszinierten Zuschauern zwischen den beiden Führenden gerade zu, doch das Geschehen unter dem großen roten Sonnenschirm direkt neben dem Baumstamm-Parcours verriet mehr als tausend Worte. Felix Keitel und sein Vater Ronald umarmten sich mit derart freudigen Gesichtern, dass dies eigentlich nur einen Grund haben konnte: Der 16-Jährige Lokalmatador hatte es tatsächlich geschafft, die Heim-DM während des Hessentages mit einer Medaille in seiner Paradedisziplin der 20-Zoll-Klasse zu krönen. „Da ich ja eigentlich nur ins Finale kommen wollte, bin ich damit übers Ziel hinausgeschossen“, sagte ein überglücklicher Felix Keitel nach zwei anstrengenden sowie schweißtreibenden Tagen. Und mit ungezählten Sprüngen bis 1,40m Höhe über gewaltige Zementrohre, Autos und auf Baumstümpfe oder nicht weniger spektakulären Balanceakten über schmale Mauern und dünne Äste.

Selbst ein vorgezogenes Geburtstagsgeschenk gemacht

Dass der Schüler des Neuen Gymnasiums Rüsselsheim sich fünf Tage vor seinem 17. Geburtstag mit dem dritten Platz im ersten Juniorenjahr selbst ein vorgezogenes Geschenk machen konnte, hatte gleich mehrfach massiv infrage gestanden. Vor der sechsten und letzen Sektion des Finales, für das sich die besten Vier des Vortages qualifiziert hatten, bildete Keitel noch mit knappem Rückstand das Schlusslicht. Dies auch deshalb, weil er in der ersten Runde an dieser Sektion an einer schwierigen Passage gestürzt war und zum zweiten Mal fünf Strafpunkte kassiert hatte.

Anzeige

„Nichts passiert. Das Rückenpolster hat das abgefedert“, so Keitel – wohl wissend, dass er speziell seiner Mutter Anja bestimmt einen großen Schreck eingejagt haben dürfte. Diese hatte tags zuvor eingeräumt, „dass die Sorge, dass etwas passieren kann, immer mitfährt. Er ist halt sehr ehrgeizig.“ Nach einem schmerzhaften Kontakt mit einem Baumstamm hatten im Vorjahr bei Felix zwei Zähne gerichtet werden müssen. „Mit Angst kann man das nicht machen. Aber es ist wichtig, immer Respekt vor den Hindernissen zu haben“, so der Filius.

Dank dieser Einstellung – gepaart mit Kraft, Technik und Körperbeherrschung – wusste sich Keitel auf dem Mainvorland hinter dem Stadion auch am Sonntag im zweiten Durchgang deutlich zu steigern. „Man schaut sich zwar vorher die Passagen genau an und überlegt sich die Herangehensweise, aber bei mir ist es so, dass ich beim Fahren lerne und das dann gleich umzusetzen versuche.“ Gesagt, getan. Im Schatten des großen Schirmes, mit dem sein Vater ihn an beiden Tagen vor der sengenden Sonne schützte, kamen nach 13 Punkten im ersten Umlauf nur noch fünf weitere Zähler hinzu.

Wie wichtig speziell die Ein-Punkt-Galavorstellung an der letzten Sektion werden sollte, erfuhr der Papa auf Nachfrage beim Chefpunktrichter. Da Keitels Rivale Luis Tredup bei der letzten Prüfung mit zwei Zählern belegt wurde, waren beide punktgleich. „Aber Felix hat einer Einser-Runde gefahren, der andere nicht. Und das hat diesmal entschieden“, erläutert Ronald Keitel. Dass die gesamte Familie dies in Erinnerung an 2016 als ausgleichende Gerechtigkeit empfand, ist verständlich: In seinem letzten Jugendjahr hatte Felix lauter fehlerfreie Läufe hingelegt, aber aufgrund unglücklicher Umstände seine Laufkarte verspätet abgeben können und deshalb den DM-Titel verpasst.

Den Grundstein dafür, nun „einen besonders schönen Erfolg“ vor der Haustür feiern zu können, hatte Felix Keitel in der zweiten des aus drei Runden mit jeweils sechs Sektionen bestehenden Halbfinales gelegt. „Mann“ entfuhr es dem 16-Jährigen zum dritten Mal, als er mit Karacho das Ziel seiner zweiten Prüfung passiert und zwei Strafpunkte wegen Zeitüberschreitung kassiert hatte. Nachdem er zweimal die vermeintlich schwierigsten Sprungpassagen auf und über Baumstämme gemeistert hatte, verlor er auf der letzten Rollpassage jeweils das Gleichgewicht. Dass er nicht aufgab und beim dritten Anlauf Erfolg hatte, sollte sich als Türöffner für Sonntag erweisen: Mit 38 Punkten sicherte er sich drei Zähler vor dem Fünftplatzierten das letzte Final-Ticket, „und nachdem ich dieses große Ziel geschafft hatte, habe ich mir erst mal gar keinen Druck mehr gemacht. Vierter war schon toll, alles andere noch besser.“

Obwohl das Neue Gymnasium in dieser Woche seine Pforten aufgrund des Hessentages nicht öffnet – großartig feiern wollte Felix seine Bronzemedaille und die Festigung seines Platzes im BDR-Juniorenkader nicht. „Das Training geht weiter, und am nächsten Wochenende kommt ja schließlich noch die 26er-DM. Da will ich auch möglichst gut abschneiden.“ So oder so – eine gute Gelegenheit für alle Rüsselsheimer und Hessentagsbesucher, die noch nicht beim Trial vorbeigeschaut haben, sich von einer faszinierenden Sportart begeistern zu lassen.

Anzeige

Von Martin Krieger